Kein Bock auf Insta?

Ich habe vor zwei Monaten Instagram gelöscht. Nach meinem Blogpost „Der Nebel der Medien“ und dem Netflix Film „Das Dilemma mit den sozialen Medien“, den ich gesehen und der mich schockiert hat, war für mich ein Punkt erreicht, an dem ich einfach nicht mehr wollte, nicht mehr konnte.
Ich wollte dieses Abhängigkeitsgefühl nicht mehr, dieses innere Bedürfnis nach dem Handy zu schauen, nachzusehen, ob etwas Spannendes passiert ist, nur um dann enttäuscht zu sein.
Ich wollte dieses innere Vergleichen nicht mehr, das ich bereits gelernt hatte abzulegen, aber mich dennoch oft wieder eingeholt hat.
Ich wollte nicht mehr das Gefühl haben, einen besonderen Moment mit meinem Handy festhalten und posten zu müssen, damit andere ihn sehen, sehen, was ich mache und dieser Moment damit irgendwie erst so richtig real wird, greifbar, eingefroren auf dem kleinen Bildschirm in meiner Hand. Denn dabei bin ich es doch, die ihn erlebt und ihn in mir drin festhalten sollte und nicht in den Köpfen der anderen.
Ich wollte mich nicht mehr schlecht fühlen nach einem Tag mit mal mehr Instagram-Konsum, wollte nicht mehr jede ungenutzte Minute in der Bahn oder wenn mir langweilig war, zum Handy greifen. Ich wollte frei sein. Wollte wieder mehr Zeit und Raum in meinem Kopf, in meinem Herzen und meinem Leben. Ich wollte aussteigen, aussteigen aus diesem sozialen System, in das die meisten von uns verwoben sind wie die Haken in einem Fischernetz. Es ist schon so normal für uns. So unfassbar und erschreckend normal. Leckeres Essen? Insta! Restaurantbesuch mit bester Freundin? Insta! Mega krasser Sonnenuntergang? Insta! Lustiger Moment mit den Freunden? Insta!
Versteht mich nicht falsch, ich möchte hier niemanden verurteilen, ich habe ja selbst Spaß daran, Stories zu gestalten und zu posten, mit meinen Freunden coole Momente zu teilen und damit im Gespräch und im Kontakt zu bleiben. Gerade mit solchen, die man wenig bis gar nicht sieht.
Doch es raubt auch so unfassbar viel Energie. Und Kraft. Und Gehirnkapazität. Und Zeit. Und mentale Stärke. Und braucht so viel Selbstdisziplin teilweise, weil diese kleinen genialen bunten Apps auf unseren Bildschirmen nun mal dafür konzipiert wurden, süchtig zu machen! Nur so verdienen die Unternehmen dahinter Geld. Durch Werbung und Anzeigen, die geschaltet werden und möglichst viele User, die möglichst viel vor ihrem Screen kleben und ihre Leben preisgeben. Deren Handy an der Hand festgewachsen ist.
Ich habe einfach schon längere Zeit gespürt, dass mir Insta mehr nimmt, als dass es mir gibt und das, obwohl ich bereits einen vergleichsweise geringen Konsum hatte und nicht mal mehr die ominöse Suchfunktion wirklich benutzte, sondern nur noch meinen Feed.
Ich wollte einfach frei davon sein. Vor allem in einer Welt wie unserer, wo man sich ständig selbst disziplinieren muss, weil an jeder Ecke irgendwelche Verführungen warten, die im ersten Moment zwar unsere Bedürfnisse befriedigen, aber uns langfristig gesehen eigentlich nur schaden, wie zum Beispiel Fast Food, Netflix, Social Media im Allgemeinen, geiles ungesundes Essen wie Süßes, Alkohol, Zigaretten (für mich jetzt weniger geil, aber für manch einen bestimmt). Wir werden bombardiert mit Werbung und Angeboten, mit Dingen, die wir kaufen können und die unser Leben schöner und besser und einfacher machen sollen.
Es ist schon schwierig genug, sich eine stabile Sportroutine aufzubauen, seinem Körper etwas Gutes zu tun, regelmäßig gesund zu essen, zu kochen, seinen Körper zu pflegen, sich selbst in den Arsch zu treten, um auch wirklich zum Sport zu machen, früh schlafen zu gehen, um nicht zu müde zu sein, seinen Arbeiten nachzugehen wie Uni oder Nebenjob oder seinen Zielen und Träumen und dann soll man sich auch noch bei dem eigenen Social-Media-Konsum jeden Tag, jeden verdammten Tag aufs Neue zusammenreißen, disziplinieren, um den Konsum runterzufahren und aus dem Bewusstsein heraus, dass es einem eigentlich schlechter geht, wenn man es zu häufig und zu lange benutzt? Nein. Einfach nein.
Vor zwei Monaten war ich an einem Punkt, an dem mich selbst der soziale Zwang, den man Stück weit empfindet und die Angst davor etwas zu verpassen, nicht mehr zurückgehalten haben und ich einfach gesagt habe: Nö, kein Bock mehr.
Ich will frei davon sein.
Ich will mehr Zeit, einen freieren Kopf, ausgeglichener sein, meine besonderen Momente nur noch mit mir und besonderen Menschen teilen und dieser kleinen App auf meinem Handy nicht mehr so viel Macht über mich geben. Ich will nicht dauerhaft diese Ablenkung auf meinem Screen haben, die mich magisch anzieht, wenn ich im Leerlauf hänge, irgendwo warte, in der Bahn oder zuhause einfach unmotiviert bin. Ich will wieder mehr Mehrwert in meinem Leben, bewusster konsumieren, bewusster auch das konsumieren, was ich meinem Körper und Geist digital und nicht nur in Form von Essen oder Materiellem zumute.

Ich habe also vor ungefähr zwei Monaten Instagram gelöscht, mein Profil existiert zwar noch und alle zwei Wochen oder so installiere ich es wieder, um eine Story für meinen Blog zu posten (wenn ein neuer Beitrag online ist), aber ich merke stark, wie mein Bedürfnis danach, überhaupt auf Insta aktiv zu sein, mir Stories von Leuten anzusehen oder den Feed durchzuscrollen extrem abgenommen hat. Es reizt mich einfach nicht mehr so wirklich. Es ist eben nur eine App. Nicht das Leben, nicht das Hier und Jetzt, sondern nur eine App. Wenn man mal wirklich darüber nachdenkt, wenn man mal wirklich brutal ehrlich zu sich selbst ist, wie viel Zeit man damit verbringt und wie viel diese App einem im Gegenzug dann wirklich an Mehrwert liefert, merkt man sehr schnell, dass der Wert, den man diesem kleinen Feld auf dem Screen vielleicht beimisst, einfach viel zu hoch ist. Es ist nur eine App. Man sollte eigentlich leicht in der Lage sein, diese App einen Tag lang nicht zu benutzen oder sogar drei. Und man sollte dabei nicht alle drei Stunden daran denken, dass man ja jetzt super gerne auf Insta gucken wollen würde, was die anderen so machen, um sich die Zeit zu vertreiben. Denn es ist nur eine App.
Wieso brauchen wir sie dann so sehr?
Letztendlich gaukelt sie uns vor, wir würden an den Leben unserer Freunde teilnehmen, würden dabei sein, wenn sie etwas erleben und am Ende spürt man oft einfach nur Negatives in sich, wenn man sieht, was alle anderen gerade machen und man selbst vielleicht nicht. Wir stalken irgendwelche Leute, Verflossene oder Menschen, die uns wichtig, aber nicht mehr in unserem Leben sind und in unserem Kopf entstehen irgendwelche Phantasien, wenn wir sehen, wer jetzt wem folgt und das dort ja jemand ein Herz kommentiert hat und eigentlich quälen wir uns damit nur selbst, wir glauben, dass was dort passiert sei echt, stellen uns alles mögliche vor und produzieren es aufs Leben und vergessen dabei, dass alles in dieser App nichts ist, außer ein paar Nullen und Einsen. Eben nichts Echtes. Wir vergleichen uns, sehen von jedem nur das Schöne aus dessen Leben und vergessen dabei, dass es die Hindernisse im Leben sind, die uns näher zusammenbringen.

Deswegen habe ich Instagram gelöscht. Ich habe in den ersten Wochen gespürt, wie ich manchmal wirklich den Drang hatte, es wieder zu installieren, so als würde ich es brauchen. Wie eine Süchtige. Und dieses Gefühl ist so dermaßen grauenhaft und abartig irgendwie. Diese Abhängigkeit zu spüren, dieses Gefühl, es jetzt zu brauchen, zu wollen. Mittlerweile habe ich diesen Drang, wie gesagt, fast gar nicht mehr. Ich installiere es, wenn ich einen neuen Blogbeitrag veröffentliche, um darauf aufmerksam zu machen und lösche es danach gleich wieder.
So als Mittel zum Zweck. Ich will nicht sagen, dass es perfekt ist so wie ich es mache und dass jeder Instagram sofort löschen sollte, ich denke nur, dass man sich über seinen Konsum sehr bewusst sein sollte und mir hat diese Endgültigkeit mehr geholfen, als zum Beispiel ein Stück-für-Stück-Reduzieren oder diese komischen Bildschirmsperren, die man dann doch am Ende immer wegklickt. Denn dafür braucht es wieder Selbstdisziplin und Energie und diese spare ich mir lieber für andere Lebensbereiche auf. Denn letztendlich fühlt sich der Gebrauch von Social Media doch manchmal wie ein innerer Kampf an, oder nicht?
Man tut es, weiß, dass es nicht gut ist, dass man etwas anderes machen sollte, tut es trotzdem, hat ein schlechtes Gewissen, fühlt sich schlecht, gibt dem Drang nach und hat am Ende keinen Mehrwert aus dem Gebrauch gezogen, außer vielleicht neue Inspo für ein Rezept oder einige Lacher wegen lustigen Memes. Diese Vorteile will ich auch gar nicht kleinreden, ich denke, es gibt auch viele, die sehr gut mit Insta umgehen können, die die App differenziert betrachten und sich so auch ihres Konsums bewusst sind. Ich glaube aber auch, dass es trotzdem noch mehr als genug junge Menschen wie mich gibt, die vielleicht sogar noch einen viel extremeren Insta-Konsum haben als ich hatte und die sich in diesen Worten vielleicht wiederfinden.
Seit ich Insta gelöscht habe, fühle ich mich tatsächlich irgendwie anders. Ich kann es jetzt nicht auf einen Tag festmachen, aber die letzte Zeit hat sich einfach viel fokussierter angefühlt. So als wäre viel mehr Raum in meinem Kopf für mich selbst und die Personen, die mir wirklich nahestehen. Pausen oder Momente, in denen man wartet, versinkt man oft in sein Handy, manchmal gibt dir aber dieses Dasitzen oder -stehen und einfach deine Umwelt zu beobachten oder deinen Gedanken zu lauschen viel mehr, als sofort das Handy zu zücken und dein Hirn mit neuen Informationen vollzuladen. Manchmal gibt es dir ein Lächeln von jemand Fremdem, oder eine alte Frau, die beim Einsteigen mit ihrer Gehilfe Hilfe braucht und sich überschwänglich bedankt. Vielleicht gibt es dir auch einfach nur eine schöne Wolkenformation am Himmel oder dir fällt etwas Wichtiges ein, das du noch machen wolltest.
Ich spüre einfach, wie mein Kopf deutlich leerer und freier ist. Wie in mir mehr Platz für mich selbst und meine Ziele und Pläne ist und für die Menschen, die ich liebe. Ich habe irgendwie gefühlt auch mehr Zeit, schaffe mehr, weil ich weniger abgelenkt bin und einfach fokussierter auf mein Leben und den Moment, in dem es stattfindet. Ich sehne mich nicht oft danach irgendwo anders zu sein, als ich bin, weil mir auch keine Bilder von Leuten an coolen Orten oder Influencer am zigsten Strand gezeigt werden, die alle so ultra happy aussehen.
Ich bin einfach hier. Einfach jetzt. Und bin zufrieden so. Abgesehen davon natürlich, dass man momentan eh nicht wirklich woanders sein kann, haha. Aber ihr wisst ja, was ich meine.
Es geht einfach um das Gefühl. Um das Mindset.
Es geht um dich.

(1) Kommentar

  1. Joana sagt:

    Ich finde es so toll, dass du es so einfach schaffst davon loszukommen. Ich selbst habe Instagram auch vor mehreren Monaten gelöscht. Und mir fällt es immer noch schwer. Im Großen und Ganzen macht es mich glücklicher und der Satz den du schreibst: ich habe mehr Platz für meine Träume und Pläne, für mich selbst und für Menschen, die ich liebe. Der ist so wahr. Dennoch gibt es bei mir immer wieder diese kleinen Momente, wo ich wieder schwach werde und Instagram über den Browser öffne. Nur um es dann wenige Sekunden später, nachdem ich mir alle neuen Storys angesehen habe, frustriert wegzulegen. Ich hoffe, dass ich das irgendwann komplett sein lasse. Wenn man sich deinen Text durchliest, erkennt man wieder wie sinnlos diese App eigentlich ist. Aber was mich eigentlich am traurigsten macht, dass man Momente nur noch erlebt, um sie später auf Insta zu teilen. Ein leckeres Essen, schön angerichtet, nur noch für Instagram. Feiern gehen, nur noch um Videos vom Afblitzen der Partylichter zu posten. Essen gehen mit der Freundin, eigentlich nur um schöne Bilder zu posten. Vielleicht ist es nicht der erste Gedanke, den man hat, wenn man diese Sachen erlebt, aber schon alleine der Drang Fotos und Videos für diese Fassade auf Instagram zu machen ist doch makaber. Instagram ein soziales Medium, was uns immer weniger sozial macht….
    Danke für deinen Text. Es ist schön zu wissen, dass du genauso denkst.

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